„Aber der Himmel – grandios“: Erfahrungen einer 14jährigen Litauerin mit dem roten Terror

Lesung mit musikalischer Begleitung aus dem biographischen Bericht von Dalia GrinkevičiūtėVytene Muschick und Friederike Kenneweg in Friedberg

Für ca. 100 Oberstufenschüler der Augustinerschule rückte ein Aspekt der Geschichte des Bolschewismus am Jahrestag der Oktoberrevolution, dem 7. Nov. 2017, ins Bewusstsein.
Vytenė Muschick (Übersetzerin) und Friederike Kenneweg (Musik) gestalteten eine Lesung aus dem literarischen Bericht der Litauerin Dalia Grinkevičiūtė über deren Verschleppung als 14jährige auf Befehl Stalins aus deren Heimatstadt Kaunas an die Eismeerküste Sibiriens an die Lenamündung.

1940 hatte die kommunistische Sowjetunion gemäß ihrem Bündnispakt mit dem nationalsozialistischen Deutschland Litauen und die anderen baltischen Staaten überfallen und besetzt. Um den Widerstand der Bevölkerung zu unterbinden, begannen bald große Deportationen. Dalia Grinkevičiūtė wurde mit ihrer Familie am 14. Juni 1941 in Kaunas abgeholt und per Eisenbahn zunächst nach Kasachstan und später ans Eismeer deportiert.
Mit 22 gelingt ihr 1949 zusammen mit ihrer Mutter die Flucht in die Heimat. Sie beginnt ihre Erinnerungen an das Lagerleben aufzuschreiben.

Begleitet von dem monotonen Tak-Tak Tak-Tak des langsam fahrenden Güterzuges – kreativ erzeugt von Friederike Kenneweg mit Brett und Bürste – folgten die Zuhörer den Gedanken der jungen Litauerin, die langsam realisiert, daß ihre Kindheit vorbei ist. Vytenė Muschick liest mit ruhiger Stimme die Worte der im eisigen Polarwinter früh erwachsen gewordenen Dalia Grinkevičiūtė über das Erfrieren und Verhungern der Deportierten in der Polarnacht vor, während der sibirische Wind aus wassergefüllten Flaschen – zum Leben erweckt von Friederike Kenneweg – den Raum mit seinem Säuseln erfüllt.

Über dem menschlichen Drama entfaltet sich die Weite des sibirischen Himmels, rot gefärbt von der tiefstehenden Polarsonne.

„Aber der Himmel – grandios“; im Elend hat sich Dalia Grinkevičiūtė den Blick für den Zauber der Natur erhalten.
Vytenė Muschick berichtet noch, wie sie als 19jährige den Angriff sowjetischer Spezialeinheiten, die die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Litauens verhindern wollten, auf den Fernsehturm in Wilna erlebt hat. Für die Völker Mittel-Osteuropas endeten Unterdrückung und staatliche Gewalt eben nicht mit dem Schweigen der Waffen am 8. Mai 1945.

Die Organisatoren danken dem Förderverein für die finanzielle Unterstützung und der Kath. Gemeinde für die kostengünstige Überlassung des Gemeindehauses.

Albrecht Pachl für das Jahrbuch des Augustiner-Gymnasiums, Friedberg